Wow, lange 5 Tage haben wir alle gewartet. Jetzt ist es endlich da: Die per Gesetz verordnete Zensur. Mal die grusligsten Auszüge von Heise:
Die Bundesregierung hat in ihrer Kabinettssitzung am heutigen Mittwoch ihre heftig umstrittene Gesetzesinitiative zur „Zugangserschwernis“ für kinderpornografische Webseiten verabschiedet. […] sollen alle großen Internetprovider die vom Staat gewünschten Stopp-Seiten selbst betreiben, darauf zugreifende IP-Adressen erheben dürfen und auf Anforderung an Strafverfolger weitergeben. […] So werde nun „mindestens“ eine Zugangserschwernis über das Domain Name System (DNS) vorgesehen. Generell sei der Entwurf aber „technikoffen“ formuliert, sodass Provider auch zusätzliche Sperrmethoden einsetzen könnten. […] Es werde daher bei der Umsetzung des gesetzlichen Verpflichtungen keine Übergangsfristen geben. […] Ausgenommen seien auch Behörden und Universitäten mit eigenem Netz. […] Eine Strafbarkeit liege schon in dem Moment vor, wenn nicht nachgewiesen werden könne, dass es sich um ein Versehen oder eine automatische Weiterleitung gehandelt habe. (Quelle)
Man kann gar nicht genug kotzen, wenn man das so liest. Ok der Reihe nach: Sie nennen es selbst „Zugangserschwernis“ – sie geben also – selbst beim Gesetz – zu, dass es, wohl auch recht einfach, umgegangen werden kann. Erschließt sich daraus auch nicht indirekt, dass Leute, die an entsprechendes Material herankommen wollen, das trotzdem schaffen, aber Leute, die solch ein Material gar nicht sehen wollen, in die Honeypots gelockt werden? Es ist das gleiche wie mit den Spielen ab18: Als Erwachsener kommt man an die Spiele nicht mehr ran: Mediamarkt & co. vertreten ja meist die Meinung, dass solche Spiele „verboten“ seien, und man sie ja gar nicht verkaufen dürfe. Die Kiddies auf dem Schulhof tauschen die „Tötungstrainingssoftware“ munter aus und können sie spielen. Genauso läuft es auch hier: Die Perversen kommen munter weiter an ihr Material, zur Not halt über „CD per Post“ oder Ähnliches, und Unschuldige werden zu Kinderschändern degradiert. Aber da hört es ja gar nicht auf: Wenn man erst mal Kinderschänder ist, kann man sich auch – selbst durch einen Freispruch – nicht wieder aufpeppeln. Man stelle sich nur mal vor, sein Nachbar bekommt eine Hausdurchsuchung und ein paar Tage später liest man in der Zeitung, dass dieser wegen Besitz von Kinderpornografie angeklagt sei. Selbst bei einem Freispruch darf man wohl erst mal umziehen.
Keine reinen DNS-Sperren mehr: Es war ja klar, dass die DNS-Sperren nur die „Icebreaker“ waren: Erst erzählt man allen, hey, ihr könnt es doch eh umgehen, und im 2. Schritt sperrt man ihnen es dann wirklich. Klar. Ich werde die nächsten Tage noch eine schöne Methode vorstellen, wie man über einen SSH-Tunnel prima zensurfrei surfen kann – für ein paar Euro im Monat.
Speicherung und Weitergabe von IP-Adressen: Besonders fatal: Zum einen hieß es ja wieder, man wolle ja gar keine IP-Adressen speichern – schon 5 Tage später (!) ist das genaue Gegenteil im Gesetz. Zum Anderen ist das natürlich besonders fatal. Man möge sich nur die ganzen Möglichkeiten ausdenken, wie man ungewollt auf solchen Seiten landet. Sei es nun XSS, TinyURL (z.B. über Twitter), über Iframes, über automatische Redirects, über gehackte Seiten, die Liste lässt sich unbegrenzt fortsetzen. Auch weiterhin fatal: Wenn legale Seiten, z.B. „Teen-Porn“ (also Models mit 18 Jahren) auf solchen Sperrlisten landen: Man mag geteilter Gefühle über solche Seiten sein, aber illegal sind sie nicht: Wenn man nun auf solch eine legale Seite surft – schon ist man Kinderschänder. Wunderbar.
Keine Übergangsfristen: Klar, man muss noch schnell vor den Wahlen alles durchdrücken – und natürlich vor einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichtes – denn da weiß man genau, dass zumindest Teile des Gesetzes wieder fallen werden. Also schnell die Zensur durchdrücken, vielleicht haben es ja dann auch bald wieder alle vergessen. Ich habe es garantiert nicht vergessen, und werde mein lebenlang garantiert nie wieder SPD oder CSU wählen. Zensursula, Schäublone, und wie sie alle heißen – nein danke. So am Rande: Zur Europawahl sind übrigens die Piraten zugelassen: Das dürfte eine Partei sein, die man noch guten Gewissens wählen kann.
Ausgenommen sind Behörden: Dieser Satz hat mich am wütendsten gemacht: Man verordnet dem „dummen Volk“ die totale Zensur, und hält aber die eigenen Netze prima raus: Sonst könnte ja auch irgendwann mal ein Politiker auf solch eine Seite stoßen? Hier sieht man ja, wie kritisch die Gesetze sind, und was für Nebenwirkungen das hat – also lässt man sich selbst außen vor. Praktisch.
Auch der letzte Satz ist der Hammer: Die Unschuldsvermutung ist also komplett abgeschafft. Konkret sieht das dann so aus, dass man auf nen Link auf Twitter klickt, auf eine zensierte Zahnarztseite landet, am nächsten Tag eine Hausdurchsuchung abkriegt, und weil man beim längst gelöschten Twitterpost absolut nichts widerlegen kann für die nächsten Jahre als Kinderschänder hinter schwedische Gardinen wandert. Klingt absurd? Ich glaube nicht.
Ich werd mir eben erstmal noch mein Zensursula T-Shirt bestellen. Und mal überlegen, ob man der Piratenpartei beitreten will. So geht es auf jeden Fall nicht mehr weiter.
Mein Aufruf zum Schluss: Erzählt es weiter! Linkt gerne auf diesen oder andere Beiträge – erklärt euren Eltern oder Schwestern (bitte mit sinnvollem Argumenten und in Ruhe), warum diese Sperren nichts Gutes sind und auf keinen Fall für die Eindämmung von Kinderpornografie dienen. Und bitte: Denkt bei der Wahl daran, wen ihr wählt: Wollt ihr wirklich Zensursula und Schäublone erneut wählen?
Hi,
mich würde mal interessieren, wo man einsehen kann welche Provider da jetzt mitmachen und welche nicht? Oder müssen alle mitmachen?
@Jubai: z.B. hier: http://zensurprovider.de/liste.php